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Das ABC-Modell der Emotionen

In einer Welt voller Möglichkeiten, übersehen wir die Möglichkeit, die Dinge anders zu betrachten.


Mittwochmorgen, 8.30 Uhr. Zu jener Zeit bin ich noch angestellt in einem Gesundheitszentrum. Um 9.00 Uhr wartet der erste Termin auf mich. Ein persönliches Beratungsgespräch mit einer Klientin. Sie hat Schwierigkeiten damit, den von uns empfohlenen Ernährungsplan in ihren Alltag zu integrieren.


Mit meinem Kaffee in der Hand mache ich mich auf den Weg in das Beratungszimmer, um vor dem Gespräch noch mal zur Ruhe zu kommen. Bevor ich die Tür hinter mir schließen kann, ruft meine Arbeitskollegin nach mir:


"Michelle, da ist eine Mail an dich gekommen, die scheint dringend zu sein."


In diesem Moment steigt Unruhe in mir auf. Mist, eine dringende Mail, ausgerechnet jetzt, so kurz vor dem Termin. Mein Blutdruck steigt, mein Herz schlägt schneller, meine Stimmung kippt. Innerlich bin ich genervt, unterdrücke aber diese Emotion. Während ich meinen Kaffee abstelle, verspannt sich mein Nacken und mein Atem wird immer flacher. Die Reaktionen nehme ich in diesem Moment zwar irgendwie wahr, bewusst über die Ursache bin ich mir aber nicht. "So ist das halt, nur Stress."


Der Psychologe Albert Ellis verfolgte den philosophischen Grundsatz, dass wir Menschen nicht durch Situationen und Ereignisse per se beeinflusst werden, sondern vielmehr durch die Art, wie wir die Dinge betrachten.


Bei ca. 70.000 Gedanken am Tag, ist die Gefahr groß, sich von all den inneren Überzeugungen mitreißen zu lassen.


Mit dem ABC-Modell schaffte Ellis ein Werkzeug, dass uns dabei hilft, zu verstehen, dass wir unseren Gedanken eben nicht passiv ausgeliefert, sondern in der Lage sind, Denkmuster bewusst zu erkennen, hinterfragen und wenn möglich zu verändern. Indem wir das tun, nehmen wir uns unsere Freiheit zurück, unsere Reaktion in jeder Situation selbst zu wählen.


A = Aktivierendes Ereignis


führt zu


B = Bewertung/Interpretation


führt zu


C = Reaktion


In dem Moment, in dem meine Arbeitskollegin mir von der Mail berichtete, meldete sich mein Verstand zu Wort:


"Ich muss wissen, worum es in der Mail geht"

"Ich muss mich jetzt darum kümmern"

"Ich darf niemanden warten lassen (außer meinen Kaffee)"

"Ich muss mich beeilen"

"Der Termin kommt auch gleich"


So zu denken, war ich gewohnt. In vielen Situationen war ich überzeugt davon, etwas zu "müssen" und mich stets zu beeilen. Wo diese Überzeugungen herrschten, gab es natürlich keinen Raum zum Innehalten, kein Platz für Fürsorge, keine Zeit für eine Pause.


Ich beantwortete also die Mail und kam gerade noch pünktlich zum Gespräch ins Zimmer. Natürlich brauchte ich ein paar Minuten, um mich voll und ganz auf die Klientin zu konzentrieren. Das tat mir leid, für sie und für mich.


Wie Ellis in seinem Modell zeigt, folgten meine körperlichen und emotionalen Reaktionen nicht auf die Worte der Kollegin, sondern auf meine Gedanken, die darauf folgten.


Innehalten. Einen Raum zwischen Reiz und Reaktion schaffen.


Es gehört ein gewisses Maß an Achtsamkeit dazu, in solchen Momenten kurz inne zu halten, die Gedanken zu erkennen und zu hinterfragen.


"Ich muss wissen, worum es in der Mail geht"

"Muss ich das JETZT? Nein. Später reicht auch!"


"Ich muss mich jetzt darum kümmern"

"Was passiert, wenn ich mich nach dem Gespräch darum kümmere? Wahrscheinlich interessiert es niemanden!"


"Ich darf niemanden warten lassen (außer meinen Kaffee)"

"Wer eine E-Mail versendet, plant Wartezeit ein. Für Notfälle gibt es schließlich das Telefon!"


"Ich muss mich beeilen"

"Muss ich? Oder sollte ich mir erlauben, vor einem persönlichen Gespräch zur Ruhe zu kommen, um dann voll anwesend zu sein?"

...


Und siehe da, schon sieht die Welt ganz anders aus. Statt meinen Moment der Ruhe zu verschieben und in Stress zu geraten, bringe ich mich auf den Boden der Tatsachen zurück und konzentriere mich erst auf mich, dann auf die Klientin und dann auf die E-Mail im Postfach. Und das ist OK, denn ich bin ein Mensch - keine Maschine.

In einer Welt voller Möglichkeiten, übersehen wir die Möglichkeit, die Dinge anders zu betrachten.

Unsere Bewertungen, zwischen einem Ereignis und der Reaktion darauf, haben einen großen Einfluss darauf, wie die Gesamtsituation am Ende aussieht.


Das ABC-Modell gehört mittlerweile zu meinen liebsten Trainings-Tools.

Durch passende Fragen und neue Sichtweisen, kann ich meinen TeilnehmerInnen die Möglichkeiten zeigen, die uns zur Verfügung stehen, die Dinge zu betrachten - die schlussendlich darüber entscheiden, wie wir uns fühlen und verhalten.


Ich lade dich also dazu ein, dir in stressigen Momenten ein kurzes Innehalten zu erlauben, deine Gedanken zu hinterfragen und verantwortungsvoll und angemessen (gesund) zu reagieren.


Bei Fragen freue ich mich auf deine E-Mail, auch wenn ich sie vielleicht nicht sofort beantworte. :)


Ich bin Michelle Chirico, Gründerin von Herzensangelegenheit.


Als Trainerin für Resilienz, Achtsamkeit und Stressbewältigung gebe ich dir die Möglichkeit, eine gesunde Distanz zum Geschehen zu schaffen und die Dinge aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten.


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